Karl Matthias Hirth               Einladung

 

Komm o mein Freuund! weil noch die Rosen glühn,

Komm, daß ich, bei des Weinstocks goldner Thräne,

Die heitre Stirn mit Rebenlaub dir kröne,

Noch eh der May und seine Wonne fliehn.

 

Bald welkt der Hain, bald wird die Flur verblühn;

Die Nachtigall verlernt die süßen Töne

Und mit dem Lenz sehn wir die zarten Schwäne

Nach milderen Gewässern Tempe’s ziehn!

 

Uns aber hält das Schicksal hier gebunden;

Wir müssen treu bei unsrer Hütte stehn

Und folgen nicht des Jahres schönern Stunden,

 

Die lächelnd uns im Tanz vorüber gehn,

O, laß uns froh in ihren Chören hüpfen,

Und ungeküßt nicht Eine dir entschlüpfen.

 

 

 

 

 

 

 

Karl Matthias Hirth               Lebensgenuß

 

Nur ein Mahl, Freund! Nur Ein Mahl leben wir;

Nur Ein Mahl blüht der Lenz der Jugend dir.

Senkt einst der Tod auch dir die Fackel nieder,

Dann weckt dich nie die goldne Frühe wieder.

 

Genieße froh! so mahnen dich die Lieder

Des jungen Hains und diese Rosen hier.

Heut kühlt dich noch das Schattendach vom Flieder,

Heut küß’ ich dich, heut trinkst du noch mit mir.

 

Siehst du die Quelle dort im Thale fließen?

Sie flieht und eilt und kehrt nicht mehr zurück

Dein Leben auch; es ist ein Augenblick:

 

Und du versäumst es weise zu genießen?

O, spare nichts auf jenes dunkle Land;

Die Küste, Freund, ist fern und unbekannt.